Wahlprüfsteine des bdvb zur
Bundestagswahl 2021
Bundestagswahl 2021
Der bdvb ist unparteiisch, aber nicht unpolitisch. Als unabhängiger und größter Wirtschaftsakademikerverband in Deutschland bekennen wir uns zur Verantwortung, die gesellschaftliche Entwicklung aktiv mitzugestalten und ökonomischen Sachverstand in öffentliche Debatten einzubringen.
Deswegen hat der bdvb Fachausschuss Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik acht Wahlprüfsteine zur Bundestagswahl 2021 formuliert. Die Antworten der Parteien, nachzulesen unter www.bdvb.de/wahlpruefsteine, werden eine Orientierungshilfe bei der Wahlentscheidung am 26. September 2021 und ein Maßstab für die Umsetzung von Wahlversprechen nach dem Wahltag sein.
Acht Parteien, acht Fragen
Wir haben die Parteien „Alternative für Deutschland“, „Bündnis 90/Die Grünen“, „Christlich Demokratische Union Deutschlands“, „Christlich-Soziale Union in Bayern“, „Die Linke“, „Freie Wähler“, „Freie Demokratische Partei“ und „Sozialdemokratische Partei Deutschlands“ angeschrieben. Leider haben trotz mehrmaligem Nachfragen nicht alle Parteien geantwortet. Nachgereichte Antworten werden postwendend hier veröffentlicht.
1. IMMOBILIEN- UND MIETPREISENTWICKLUNG
Wie beurteilen Sie die aktuelle Immobilien- und Mietpreisentwicklung und ihre ökonomischen Konsequenzen? Mit welchen Maßnahmen begegnen Sie der steigenden Nachfrage nach Wohnraum – vor allem in Metropolregionen?
Wir GRÜNE setzen uns für eine starke Förderung bezahlbaren Wohnraums und eine gerechte Bodenpolitik ein. Wir wollen mit der Einführung der Neue Wohngemeinnützigkeit in Höhe von 3 Milliarden Euro im Jahr für zusätzliche preisgünstige Mietwohnungen sorgen. Zudem wollen wir Kommunen ermöglichen, mehr sozialen Wohnungsbau in Bebauungsplänen festzusetzen.
Mit unserem Hunderttausend-Dächer-und-Häuser-Programm wollen wir die Aufstockung von Gebäuden, den Ausbau von Dachgeschossen und die Wiedernutzung leer stehender Gebäude fördern.
Wir wollen ungenutztes Bauland leichter einer Bebauung zuführen, Konzeptvergaben stärken, günstigere Vorkaufsrechte einführen und auf Share Deals, Zwangsversteigerungen und Bodenbevorratung ausweiten, sowie Baugebote vereinfachen.
Wir unterstützen zudem alle, die sich ein Eigenheim wünschen. Wir werden das KfW-Wohneigentumsprogramm für Familien ausweiten und Ländern ermöglichen, einen Freibetrag bei der Grunderwerbsteuer beim erstmaligen Erwerb selbst genutzten Wohnraums zu gewähren. Attraktive Mietkaufmodelle sollen es vor allem jungen Menschen mit geringerer Kapitalausstattung ermöglichen, Wohneigentum zu erwerben. Auch prüfen wir die Unterstützung genossenschaftlicher Wohnmodelle.
Wir Freie Demokraten wollen Bauen günstiger machen. Durch die Vielzahl von Vorschriften entstehen massive Kosten. Daher wollen wir einen Baukosten-TÜV einführen, der neue Regelungen auf ihre Kosten für Bauen und Wohnen ermittelt. Unser Ziel ist es, kostenverursachende Normen zu vermeiden und den Entscheiderinnen und Entscheidern eine transparente Grundlage für ihr Handeln zur Verfügung zu stellen. Insbesondere EU-Richtlinien dürfen nicht über das erforderliche Maß hinaus umgesetzt werden. Die Empfehlungen der Baukostensenkungskommission erfordern eine konsequente Umsetzung. Ebenso wollen wir auch bestehende kostensteigernde Regelungen kritisch überprüfen und gegebenenfalls anpassen.
Ein zweiter großer Kostenfaktor ist das teure und knappe Bauland. Wir Freie Demokraten wollen daher ein Baulücken- und Potentialflächenkataster einführen. Auf dessen Grundlage können die Gemeinden mit angespannten Wohnungsmärkten konkrete Zeit- und Maßnahmenpläne zur Bebauung dieser Flächen entwickeln. Hindernisse bei der Wiederverwertung von Brachflächen sind konsequent zu beseitigen. Der Bund muss die Länder im Rahmen der Bauministerkonferenz außerdem zu einer Entbürokratisierung des Dachausbaus und der Dachaufstockung, etwa bei der Stellplatz- und Aufzugspflicht, anhalten und mittels der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) ein entsprechendes Förderprogramm auflegen. Alle Grundstücke und Liegenschaften des Bundes, die nicht für Staatszwecke benötigt werden, müssen schnellstmöglich identifiziert, bereitgestellt und bevorzugt über beschleunigte Konzeptvergaben veräußert werden.
Wir wollen zudem für Menschen mit niedrigem Einkommen einen echten Zugang zu günstigem Wohnraum schaffen. Dazu muss sich die soziale Wohnraumversorgung an der potentiellen Mieterin beziehungsweise am potentiellen Mieter und nicht nur am Bau von neuen Sozialwohnungen orientieren. Wir wollen zahlungsschwachen Wohnungssuchenden den Zugang zum freien Wohnungsmarkt mithilfe des Wohngeldes erleichtern. Erst wenn dort die Wohnungssuche erfolglos bleibt, soll die Berechtigung auf Bezug einer Sozialwohnung erteilt werden.
2. BÜROKRATIEABBAU
Welche konkreten Schritte wird Ihre Partei unternehmen, um die Bürokratiebelastung – vor allem kleiner und mittelständischer Unternehmen – zu reduzieren?
3. INVESTIONSFÖRDERUNG
Welche Anreize wollen Sie schaffen, um (private) Investitionen vor allem in die digitale und ökologische Transformation der Wirtschaft zu fördern?
Doch zurzeit drückt der Staat bei den Unternehmen auf die Investitionsbremse. Bei der Besteuerung von Unternehmensgewinnen und Arbeitslohn befindet sich Deutschland in der absoluten Spitzengruppe der OECD-Länder.
4. LIEFERKETTENGESETZ
Das deutsche Lieferkettengesetz verlangt genaue Kenntnisse der Umstände vor Ort. Wie werden Sie die Unternehmen bei der Umsetzung unterstützen? Halten Sie es für zielführend, das Gesetz auf ökologische Aspekte zu erweitern?
5. AUSSENHANDEL
Wie wird Ihre Partei sicherstellen, dass deutsche Unternehmen trotz nationaler CO2-Steuer und europäischen Emissionshandels auf dem Weltmarkt wettbewerbsfähig bleiben?
Als Übergangslösung bis zu einem globalen CO2-Zertifikatehandel unterstützen wir die EU darin, eine WTO-konforme Weiterentwicklung des „Carbon Leakage“-Schutzes einzuführen, der sich am EU-ETS orientiert. Damit verhindern wir, dass emissionsintensive Industrien ins Ausland abwandern, und geben anderen Ländern einen direkten Anreiz, bei der CO2-Bepreisung nachzuziehen. Nur so kann ein echter Wettbewerb um Innovationen für mehr Klimaschutz gelingen. Denn dem Klimaschutz ist nicht geholfen, wenn CO2-intensive Produktionsprozesse in Regionen mit geringeren Auflagen außerhalb Deutschlands und Europas verlagert und die Produkte anschließend importiert werden.
Darüber hinaus setzen wir uns grundsätzlich für wettbewerbsfähige Rahmenbedingungen für Unternehmen am Standort Deutschland ein, etwa durch eine moderne Infrastruktur, schnelle Planungs- und Genehmigungsverfahren, Bürokratieabbau und Entlastung bei den Unternehmenssteuern.
6. STEUER- UND TRANSFERSYSTEM
Wie werden Sie das Steuer- und Transfersystem einfacher und transparenter machen? Welche Erleichterungen planen Sie im Bereich der Unternehmensbesteuerung und was werden Sie unternehmen, damit sich Arbeit vor allem auch für Hartz-4-Empfänger und Bezieher kleinerer und mittlerer Einkommen lohnt?
Unser Ziel ist eine wettbewerbsfähige Unternehmensbesteuerung. Wir wollen die Steuer-last für Gewinne, die im Unternehmen verbleiben, perspektivisch auf 25 Prozent deckeln. Das schafft Investitions- und Innovationskraft für die anstehenden Herausforderungen. Da-bei wollen wir Rechtsformneutralität herstellen, ob für Einzelunternehmer, Personengesellschaft oder Kapitalgesellschaft.
Wir wollen Easy Tax einführen: die vorausgefüllte Steuererklärung mit einem umfassenden digitalen Service für die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler. Im Besteuerungsverfahren muss umfangreicher auf innovative Lösungen gesetzt werden. Für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie Rentnerinnen und Rentner sollen durch Easy Tax immer vollständige Steuererklärungen vom Finanzamt vorbereitet werden, die von den Betroffenen nur noch bestätigt werden müssen. Ziel muss es sein, dass Steuerbescheide in diesen Fällen innerhalb von wenigen Tagen bekannt gegeben werden können.
Die steuerliche Belastung von Unternehmen wollen wir auf den OECD-Durchschnitt (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) von rund 25 Prozent senken. Zudem wollen wir uns gemeinsam mit den USA für eine globale Mindestbesteuerung für Unternehmen einsetzen. So sorgen wir für mehr Fairness im Wettbewerb zwischen großen internationalen Konzernen, die aggressive Steuervermeidung betreiben, und Mittelständlern.
Schließlich wollen wir bessere Hinzuverdienstregeln beim Arbeitslosengeld II (ALG II). Die aktuellen Regeln sind demotivierend und sie belohnen kaum, die Grundsicherung durch eigene Arbeit Schritt für Schritt zu verlassen. Bessere Hinzuverdienstregeln ermöglichen aber genau das: Sie bilden eine trittfeste Leiter, die aus Hartz IV herausführt. Das Einkommen von Jugendlichen aus Familien, die ALG II beziehen, soll bis zur Höhe eines Minijobs gar nicht angerechnet werden. Junge Erwachsene sollen künftig nicht mehr für Forderungen des Staates haften, welche auf ein Verschulden der Eltern – wie beispielsweise das verspätete Anzeigen einer Erwerbstätigkeit der Eltern – beruhen.
7. HAUSHALTSPOLITIK
Wie werden Sie die Tragfähigkeit der stark gestiegenen deutschen Staatsschulden sicherstellen? Wie beurteilen Sie den Zusammenhang zwischen Staatsschulden, Investitionen und der Belastung künftiger Generationen?
Mit Blick auf die Generationengerechtigkeit wollen wir die Nachhaltigkeitsprüfung von Gesetzen stärken, parlamentarisch effektiv verankern und durch eine Generationenbilanzierung ergänzen. Dabei werden Leistungen der Gesellschaft für folgende Generationen den entstehenden Lasten gegenübergestellt. Zudem wollen wir die Schuldenbremse stärken: Sie soll auf staatliche Beteiligungsgesellschaften, Sondervermögen und den deutschen Anteil an Verbindlichkeiten der Europäischen Union ausgeweitet werden.
8. ÖKONOMISCHE BILDUNG
Zur Sicherung der Altersvorsorge, eines selbstbestimmten Lebens, gesellschaftlicher Teilhabe und Chancengerechtigkeit sind Grundkenntnisse über Wirtschaft und Finanzen als Teil der Allgemeinbildung unerlässlich. Welche Maßnahmen planen Sie zur Förderung der ökonomischen Bildung in ganz Deutschland?
Ihr Ansprechpartner:
Dominik Damast
Fachausschuss Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik
E-Mail: dominik.damast@bdvb.de