Die von der Bundesregierung, der EU-Kommission und der Europäischen Zentralbank ergriffenen Maßnahmen gegen die ökonomischen Folgen der Corona-Krise zeigen, dass der Staat seiner Verantwortung für das Gemeinwesen auch in Krisenzeiten gerecht wird. Dringender Handlungsbedarf besteht jedoch bei der Erhebung von Gesundheitsdaten, der Vermeidung von Wettbewerbsnachteilen durch Beeinträchtigungen des EU-Binnenmarktes sowie bei der internationalen Koordination der Fiskal- und Geldpolitik.
Angesichts der Corona-Pandemie begrüßt der bdvb das verantwortungsvolle und pragmatische Handeln der Bundesregierung, der Länder und Kommunen ebenso wie der EU-Kommission, der Europäischen Zentralbank sowie der Sozialpartner in Deutschland. „Die auf den Weg gebrachten Stützungsmaßnahmen zeigen, dass unser Staat auch in Krisenzeiten funktioniert und seiner Verantwortung für das Gemeinwesen gerecht wird“, so bdvb-Präsident Willi Rugen. „Auch der Tarifabschluss in der Metallbranche ist von dem Verantwortungsbewusstsein geprägt, das wir in der sozialen Marktwirtschaft von unseren Führungskräften erwarten“, so Rugen weiter. „Deutschland und Europa machen hier insgesamt einen guten Job.“
Angesichts der geldpolitischen Maßnahmen der Europäischen Zentralbank ist Deutschlands größter Ökonomenverband zuversichtlich, dass ein wirtschaftlicher Kollaps verhindert werden kann.
„Erfreulich ist auch das Handeln der EU-Kommission, die nicht nur – was viele gar nicht wissen – die Mobilisierung von Hilfsangeboten, etwa die Bereitstellung von Schutzmaterial oder die Evakuierung von Bürgerinnen und Bürgern fördert und koordiniert“, so Willi Rugen. „Aus ökonomischer Sicht ist es vernünftig, angesichts der aktuellen Situation ein Festhalten an starren Haushaltsregeln zu Gunsten eines aktiven Krisenmanagements hinten anzustellen.“
„Unsere ganz besondere Dankbarkeit und Anerkennung gilt aber heute den im Gesundheitswesen, im Einzelhandel und in den Behörden Tätigen, die eine funktionierende Grundversorgung sicherstellen. Das kann man nicht oft genug betonen“, so Willi Rugen.
Kritisch bemängeln die Ökonomen, dass in Deutschland immer noch keine repräsentativen wöchentlichen Zufallserhebungen zur Corona-Infizierung und zum Anteil der immunisierten Personen in allen Bundesländern vorgenommen werden.
Dazu Prof. Dr. Paul J. J. Welfens, Vorsitzender des bdvb Forschungsinstituts: „Auf einer repräsentativen Datenbasis könnte die Gesundheits- und Wirtschaftspolitik national und regional viel besser reagieren und natürlich könnten Immunisierte dann auch wieder arbeiten gehen. Nötig wären wöchentlich etwa 30.000 Tests, das sollte eigentlich machbar sein.“
Auch die Einführung von Grenzkontrollen, die in der gegenwärtig umgesetzten Form zu einer schweren Beeinträchtigung europäischer Lieferketten führen, sei zu hinterfragen. „Hier hat die EU ein Problem, das in dieser Form in den USA nicht zu sehen ist und letztlich auch einen gravierenden Wettbewerbsnachteil darstellen wird. Die deutsche Bundesregierung muss hier dringend handeln und ihre Maßnahmen auf die Epidemiebekämpfung im Personenverkehr fokussieren“, so Welfens.
Weiterhin wird die fehlende Koordinierung der Fiskal- und Geldpolitik der Eurozone mit den USA, Japan und China kritisiert. „Die Trump-Administration zeigt wegen ihres Bilateralismus-Kurses wenig Ehrgeiz zu einem koordinierten Vorgehen. Umso mehr erwarten wir jetzt von Deutschland und Frankreich entsprechende Koordinierungssignale. Eine Koordination der Fiskalpolitik könnte im Rahmen der OECD organisiert werden, wo China und Indien über ein Outreach-Programm fachbezogen mitarbeiten. Für eine Koordination der Geldpolitik sollte die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich genutzt werden“, so Welfens.
Bereits jetzt gilt es, die Diskussion über Konsequenzen nach der Überwindung der Corona-Pandemie anzustoßen. Der bdvb richtet das Augenmerk vor allem auf folgende Punkte:
- Wie kann die Grundlagenforschung gestärkt werden, um ähnliche Pandemien in Zukunft durch geeignete Impfstoffe zu verhindern?
- Wie kann der Stellenwert des Gesundheitswesens in der Gesellschaft erhöht und die Abhängigkeit von Lieferketten gemindert werden?
- Wie können internationale Organisationen (Weltgesundheitsorganisation – WHO) nachhaltig gestärkt werden und welche Kompetenzen sollten künftig besser auf europäischer Ebene liegen?
- Wie sollen die Kredite, die im Rahmen des Krisenmanagements gewährt wurden, zurückgezahlt werden?
- Welche Lasten kommen auf den Steuerzahler zu?
- Welche Aufgabenstellung ergibt sich für die Wirtschaftstheorie hinsichtlich deren Modellannahmen über das Funktionieren des Wirtschafts- und Finanzwesens?
- Welche Schlussfolgerungen ergeben sich für das Zusammenspiel zwischen staatlichem und marktwirtschaftlichem Handeln in der sozialen Marktwirtschaft?
- Kann eine verstärkte Nutzung von Homeoffice auch nach Überwindung der Krise einen Beitrag zum Klimaschutz und geringerer Umweltbelastung leisten?
„Der Ausnahmezustand muss hoffentlich bald auch wieder enden und dabei darf vor allem unsere freiheitliche-rechtsstaatliche, demokratische Grundordnung keinen Schaden davontragen“, so bdvb-Präsident Willi Rugen.
„Es besteht aber auch die Chance, dass wir nach der Überwindung der Krise nachhaltiger handeln und wirtschaften werden. Wenn unsere Wirtschaft bald wieder in Gang kommt, unser Gesundheitssystem und das Bildungssystem in Zukunft besser ausgestattet werden, aber auch wenn wir mehr Rücksicht nehmen auf Umwelt und Klima und wenn wir Solidarität, Empathie und Umsicht als gesellschaftliche Herausforderung begreifen und weiterentwickeln. Dann liegt in der Krise auch eine Chance – nutzen wir sie!“