Mit Unverständnis reagiert der Bundesverband Deutscher Volks- und Betriebswirte (bdvb) auf die Ankündigung der NRW-Schulministerin Yvonne Gebauer, entgegen der im Koalitionsvertrag getroffenen Zusage solle die für das Schuljahr 2019/20 geplante G8/G9-Umstellung nicht zur Einführung des Schulfachs Wirtschaft genutzt werden. „Alle Voraussetzungen für das Schulfach sind gegeben“, so bdvb-Vizepräsident Hartmut Jaensch am 14.09. in Düsseldorf. „Der Einwand, es stünden nicht genügend Lehrkräfte zur Verfügung, ist nicht nachvollziehbar.“
Mehr als fünfzig Experten, darunter namhafte Vertreter aus Niedersachsen, Bayern und Baden-Württemberg, diskutierten auf Einladung des bdvb am 14.09.2018 im Düsseldorfer Industrie-Club über die Frage: „Schulfach Wirtschaft – Was kann Nordrhein-Westfalen aus den Erfahrungen anderer Bundesländer lernen?“ Diese Fragestellung ergab sich unmittelbar aus dem Koalitionsvertrag, in dem die Landesregierung angekündigt hat, bei der Ausgestaltung des geplanten Schulfachs Wirtschaft „an allen weiterführenden Schulen“ u.a. auf die „Erfahrungen aus Nordrhein-Westfalen wie auch aus anderen Bundesländern“ zurückzugreifen.
Viel Beachtung fand der Vortrag von Prof. Dr. Dr. Dr. h.c. Eva Marie Haberfellner, seit 2012 Leiterin der Bildungsinitiative der Dieter-von-Holtzbrinck-Stiftung, die die Vorgehensweise Baden-Württembergs bei der Einführung des neuen Schulfachs „Wirtschaft, Studien- und Berufsorientierung“ erläuterte. Ähnlich wie in NRW, wo die Einführung des neuen Schulfachs zeitlich mit der G8/G9-Umstellung zusammenfällt, habe es auch in Baden-Württemberg – u.a. durch die Erneuerung der Bildungspläne – eine günstige Gelegenheit für die Einführung des neuen Schulfachs gegeben. Entscheidend sei aber das Zusammenspiel der politischen und gesellschaftlichen Akteure gewesen. Ausführlich erläuterte Haberfellner, wie die Dieter-von-Holtzbrinck-Stiftung u.a. mit Hospitanzen, Weiterbildungskursen und einer Stiftungsprofessur dazu beigetragen hat, dass der Lehrkräftebedarf rasch gedeckt werden konnte.
Auch über das Schulfach „Wirtschaft und Recht“, das in Bayern seit Jahrzehnten etabliert ist, tauschten sich die Experten aus. Im Rahmen einer Podiumsdiskussion mit Prof. Haberfellner, Birgit Hollerbach (Wirtschaftsphilologenverband Bayern), Prof. Dr. Dirk Loerwald (IÖB Oldenburg) und Prof. Dr. Thomas Retzmann (Universität Duisburg-Essen) wurde deutlich, dass den spezifischen Anforderungen Nordrhein-Westfalens am besten durch eine Kombination der Ansätze Bayerns und Baden-Württembergs Rechnung getragen werden könnte.
„Wie in Bayern und Baden-Württemberg sind auch in NRW alle Voraussetzungen für das Schulfach Wirtschaft gegeben“, fasste bdvb-Vizepräsident Hartmut Jaensch die Ergebnisse der Tagung zusammen. „Die Befürchtung der Landesregierung, für die Einführung des Schulfachs stünden nicht genügend Lehrer zur Verfügung, ist angesichts der in Baden-Württemberg gemachten Erfahrungen nicht nachvollziehbar. Auch und gerade in NRW sind Bildungsträger vorhanden, die eine hochwertige akademische Aus- und Weiterbildung der benötigten Lehrkräfte sogar kurzfristig bereitstellen könnten.“
Unter Hinweis auf die Signalwirkung, die vom bevölkerungsreichsten und industriestarken Land NRW ausgeht, erklärte Jaensch, der Bundesverband Deutscher Volks- und Betriebswirte werde sich auch weiterhin für die zügige und flächendeckende Einführung des Schulfachs Wirtschaft an allgemeinbildenden Schulen einsetzen. Dass das dringend benötigte Schulfach erst angekündigt und dann wieder fallengelassen werde wie schon einmal in den 1970er-Jahren, dürfe sich nicht wiederholen.
Der Bundesverband Deutscher Volks- und Betriebswirte hatte bereits 2012 eine Resolution für das Pflichtschulfach Wirtschaft in allen Bundesländern verabschiedet und auch die heutige Schulministerin Yvonne Gebauer hatte durch ihre öffentliche Unterzeichnung der Resolution im Frühjahr 2017 zum Ausdruck gebracht, wie wichtig ihr das Anliegen ist.